Die radikale Kraft der Verbundenheit – Reflexionen vom evolve-Salon in Dresden

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Detail des aus drei aufrecht aufgestellten, ausrangierten Linienbussen bestehenden Kunstwerks “Monument” des syrischen Künstlers Manaf Halbouni vor der Dresdner Frauenkirche, das an die Bombardierung Dresdens 1945 und Aleppos heute erinnern soll. Foto: Mike Kauschke

Die radikale Kraft der Verbundenheit

Uta Hauthal

Am 21.2.2017 fand zum ersten Mal ein evolve-Salon in Dresden statt.

An diesem regnerischen, kalten Abend traf sich im hiesigen Frauenbildungshaus eine Gruppe von ungefähr 20 Menschen: Junge und Ältere, Frauen und Männer. Zur Begrüßung erläuterte ich kurz, warum es mir ein so wichtiges Anliegen war, diesen Salon zu initiieren:

Die Stadtgesellschaft nehme ich als tief gespalten wahr, und das nicht zum ersten Mal; es gibt unzählige Beispiele misslingender oder gar nicht stattfindender Kommunikation und damit einher geht häufig eine verbale Gewalt auf allen Seiten (mal offensichtlich, mal auf den ersten Blick kaum erkennbar). Ich selbst bin einen langen Weg von der Zugehörigkeit zu einer Seite (in meinem Fall Gegnerin des Baus der Waldschlößchenbrücke) hin zu einer Haltung der Versöhnung und des Dialogs gegangen und habe die Kraft dieses Prozesses tief gespürt. Dass es ein solches Bemühen heute umso mehr braucht, liegt auf der Hand. Und dass es ein großes, ja geradezu existentielles Bedürfnis nach Austasuch, nach Gespräch gibt, wurde nach den einleitenden Worten von Mike Kauschke zum aktuellen Heft (nicht alle Anwesenden kannten die Zeitschrift) sofort klar:

Mehrfach wurden die verschiedenen Assoziationen zum Thema Liebe aufgerufen und mit sehr persönlichen Erfahrungen verknüpft. Häufig ist natürlich das Erste, an das man denkt, die Liebe zwischen Mann und Frau, die jedoch eingebettet ist in eine universellere Erfahrung, um die es gerade in Dresden, so waren sich alle einig, gehen müsse. Es wurde Liebe als ein Einsinken, Sich-Fallen-Lassen, als Vertrauen beschrieben, es ging um Transformation, die stattfinden könne, wenn man bereit sei, die Perspektive, den Raum zu wechseln. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde deutlich, dass Liebe eben vielleicht auch das einschließt, was mir fern ist oder mich sogar befremdet, eine Teilnehmerin prägte das Bild, dass es darum gehe, auch den Schmerz zu umarmen. Denn der Schmerz sei in der Stadt allgegenwärtig, das sei nicht nur in den immer wieder sehr emotionalen Ereignissen und Zwischenfällen spürbar. Es kam zur Sprache, dass die verschiedenen Mythen, die das Selbstverständnis Dresdens seit langem prägen (die schöne Stadt, die Opfer-Stadt usw.) eine wahrhaftige und damit heilsame Auseinandersetzung sehr erschweren oder sogar verhindern.

Das Miteinander-Reden, das Einander-Zuhören tat gut an diesem Abend, aber das Wichtigste waren vielleicht die beiden Momente der Stille – am Anfang und als Abschluss schwiegen wir, schlossen die Augen und spürten (eine Mini – Meditation, wie ein junger Teilnehmer lächelnd feststellte), wir spürten einen Raum, ein Ankommen oder mit einem anderen Wort: die radikale Kraft der Verbundenheit.

 

Uta Hauthal Schriftstellerin, Sängerin und Moderatorin.

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