Die Magie in der Mitte

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Jenseits der Trennung

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In diesem „Trialog“ spricht Elizabeth Debold mit der World-Café-Gründerin Juanita Brown und dem Dialog-Begleiter William Isaacs über die Möglichkeiten und die Bedeutung des kreativen Raums zwischen uns.
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Eilzabeth Debold: Juanita und William, ihr arbeitet beide seit langer Zeit an neuen Formen des Zusammenkommens, um Lösungen für schwierige Probleme zu finden. In den letzten 20 Jahren habe ich mich mit kollektiver spiritueller Praxis beschäftigt, deren Anliegen es ist, ein „höheres Wir“ zu entwickeln. Mit euch möchte ich gern eure Erfahrungen eines neu entstehenden Wir und die neuen Möglichkeiten, die ihr darin wahrnehmt, untersuchen. In gewisser Weise könnten diese Potenziale der menschlichen Begegnung momentan eines der wichtigsten Ereignisse auf dem Planeten sein. Ich möchte mit einer Frage an dich, Juanita, beginnen: Was hat dich zur Gründung der World Cafés veranlasst und warum sind sie deiner Ansicht nach wichtig?

Juanita Brown: Die Entwicklungen in diesem Bereich der „Wir-Räume“ schaffen die Voraussetzungen für Kreativität und neues Denken. Das World Café ist eine dieser Methoden, die diese Form von Kreativität ermöglichen, aber es ist nur eine von vielen anderen Praktiken. Oft nutze ich folgende Metapher dafür: Ich bin in Mexiko aufgewachsen, im Haus meiner Großmutter. Sie lebte in einem alten, typisch mexikanischen Haus, wo es einen wunderschönen Innenhof gab mit einer Mitte, die ein Brunnen und große Blumentöpfe schmückten. Von allen Seiten gab es Bogengänge, wodurch man diese Mitte erreichen konnte. Für mich ist die Arbeit mit dem Kollektiven ähnlich: Es gibt viele Wege in diesen gemeinsamen Raum der menschlichen Erfahrung, den wir als bewussten Dialog, kollektive Intelligenz oder die Magie in der Mitte bezeichnen können. Wenn wir in diesem Garten in der Mitte sitzen, erleben wir etwas Besonderes: Die Grenzen zwischen Ich und Wir werden durchlässig. Beim World Café konzentrieren wir uns auf Fragen, die für die Teilnehmer wichtig sind und betrachten sie wechselseitig aus verschiedenen Perspektiven. So können wir ein lebendiges Netzwerk von Gesprächen schaffen, wenn wir zusammen „in die Mitte hineinhören“. Man weiß nicht genau, woher die Ideen kommen, weil sie scheinbar in diesem Garten in der Mitte entstehen.

William Isaacs: Das erinnert mich an den Ausspruch von Rumi: „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Garten. Dort werde ich dir begegnen.“ Dieser Garten ist das gemeinsame Ganze. Ich habe herausgefunden, dass die interessanteste Herausforderung darin besteht, diese vollkommen präsente Wirklichkeit zu verstärken. In meiner Arbeit untersuche ich, wie wir zu Öffnungen, Eintrittspunkten und Ausdrucksformen für diese gemeinsame Präsenz werden können. Denn die Idee des Ganzen müssen wir holografisch denken. Jeder von uns ist ein Aspekt des Ganzen, ob wir es erkennen oder nicht. Wenn wir es erkennen, haben wir viel mehr Möglichkeiten, in der Welt zu wirken. Diese Fragen habe ich in den vergangenen Jahren in herausfordernden Kontexten untersucht, z. B. in Unternehmen, Leitungsteams großer Konzerne oder mit Politikern und Premierministern.

Eilzabeth Debold: Warum denkt ihr, dass das Interesse an diesem Raum zwischen uns heute so stark ist?

William Isaacs: Es scheint, dass wir heute eine Sprache haben, die diese Phänomene zum Ausdruck bringen kann, und gleichzeitig ist auch die Sehnsucht danach groß. Aber das ist wohl noch nicht alles: Wir können heute eine integrative Bewegung beobachten. Aber es gibt natürlich auch eine trennende Bewegung, sehr viel in der Welt scheint heute auseinanderzufallen. Beides geschieht gleichzeitig. Man könnte auch sagen, dass beide Bewegungen miteinander verbunden sind.
Um es auf den Punkt zu bringen würde ich sagen, dass das Interesse an Dialogen heute so groß ist, weil sie notwendig und unvermeidbar sind. Auf allen Ebenen müssen wir mit den Folgen unseres Handelns umgehen, was unsere Situation unter Druck setzt. Manchmal nutze ich als Analogie ein Stück Seife: Wenn man es drückt, kann es nach oben oder unten wegrutschen. Diesen Druck spüren heute viele Menschen. Wir können es nicht vermeiden oder überspielen. Es gibt Versuche, diesen Druck zu umgehen, aber das wird nicht möglich sein.

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