Ein Fest für die Erde: Eine Initiative zum Feiern unserer Lebendigkeit

Ein Fest für die Erde

Eine Initiative zum Feiern unserer Lebendigkeit

Mike Kauschke

Die Feste, die wir feiern, und die damit verbundenen Rituale geben dem Ausdruck, was uns wichtig ist, was uns bestärkt, inspiriert und Orientierung gibt. Was uns mit einem größeren Ganzen verbindet, von dem wir ein Teil sind. Jedenfalls ist das die ursprüngliche Idee von Festen, die heute freilich oft durch Konsum und Tradition überzeichnet wird.

Um diesen eigentlichen Gehalt von Festen wiederzubeleben und in ihren Mittelpunkt etwas zu stellen, was gerade heute unserer Aufmerksamkeit bedarf, haben der Biologe, Philosoph und Buchautor Andreas Weber und die Nachhaltigkeitsforscherin Hildegard Kurt eine Initiative für ein Erdfest – ein Fest für die Erde – ins Leben gerufen.

Hildegard Kurt und Andreas Weber haben sich in den vergangenen Jahren auf unterschiedlichen Wegen einer neuen Wertschätzung unserer Lebendigkeit angenähert. Kurt vor allem durch soziale, künstlerische Aktionen und Erfahrungsfelder in der Tradition der sozialen Plastik von Joseph Beuys und Weber durch Bücher wie »Alles fühlt« und »Lebendigkeit – Eine erotische Ökologie«. Weber prägte auch den Begriff des Enlivenment in Anlehnung und Weiterführung des Begriffes der Aufklärung (im Engl. enlightenment). Diese Haltung „wahrt nicht nur die Werte der Aufklärung – die Würde des Individuums und die Prinzipien von Gerechtigkeit und Gleichheit –, sondern verbindet sie mit ihren Wurzeln, die in der Mitgeschöpflichkeit alles Lebendigen ruhen. Sie ersetzt nicht ›die Vernunft‹ durch ›das Leben‹, sondern versteht Vernunft als Anliegen, eine zur Bewusstheit ihrer eigenen Lebendigkeit fähige Kultur der Verantwortung zu entfalten“, schreiben Weber und Kurt in ihrem Manifest »Lebendigkeit sei«.

Diese Grundorientierung bietet den Ausgangspunkt für eine Politik des Lebens, die diese Haltung der »Mitgeschöpflichkeit alles Lebendigen« in die individuelle und gesellschaftliche Tat umsetzt. Mit der Erdfest-Initiative wollen Weber und Kurt nun einen Kristallisationspunkt schaffen, an dem sich verschiedenste Initiativen durch Projekte, Veranstaltungen, Gesprächsrunden, künstlerische Aktionen und vielen mehr – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – ein Fest für die Erde veranstalten. Als Termin schlagen Sie den 22. bis 24. Juni 2018 für ein erstes Erdfest vor: »drei Tage im lichtdurchfluteten Hochsommer … Die Natur steht in ihrer vollen Kraft, die Menschen sind draußen, erfreuen sich des Lebens.«

Die Bezeichnung Erdfest schöpft auch aus der Verwandtschaft der Worte humus und humanus im Latein und will in dieser Verbundenheit von Erde und Mensch unter anderem folgende Fragen stellen: »Wie erdfest ist unsere Zivilisation? Wie erdfest ist unsere (Land-)Wirtschaft? Wie erdfest ist mein Unternehmen, meine Organisation? Wie erdfest bin ich?«

Die Initiatoren laden Einzelpersonen, Gruppen, Vereine, Organisationen, Unternehmen und Institutionen, eine kreative Form zu finden, um über diese Fragen zu reflektieren und in ihren Kontexten Lebendigkeit und Fürsorge für die Erde zu feiern. Auf der Webseite des Erdfestes können sich Initiativträger*innen registrieren, präsentieren und mit anderen vernetzen. Bisher gehören dazu die Lebensgemeinschaft Schloß Tempelhof, das Bildungsjahr Project Peace, das KlosterGut Schlehdorf, der Gemeinschaftsgarten Gauting oder das artecology_network für Biodiversität. Den Initiatoren des Erdfestes ist es wichtig, dass dieses Projekt nicht zentral gesteuert wird, sondern zu einem ko-kreativen Netzwerk von Menschen und Projekten wird, das durch diese Bündelung auch eine neue öffentliche Sichtbarkeit bekommt. Das könnte auch dadurch unterstützt werden, dass das Erdfest vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gefördert wird.

Feste waren immer ein gemeinsames Zeichen für ein Anliegen, dass uns wichtig ist. Und die Erfahrung des gemeinsamen Feierns rückt das, was wir feiern, tiefer in unsere Erfahrung und Aufmerksamkeit. Das Erdfest könnte in diesem Sinne die vielen Initiativen für eine nachhaltige, zukunftsfähige Kultur des Lebens in ihrer Verschiedenheit zusammenbringen und ein Zeichen setzen, dass in weiteren Teilen der regionalen und überregionalen Gesellschaft wahrgenommen wird.

www.erdfest.org

Dieser Artikel ist aus der aktuellen evolve Ausgabe 17 mit dem Schwerpunkt Die Postmoderne und darüber hinaus: 1968 – 2018. Einen vertieften Blick ins Heft gewähren Inhaltsverzeichnis und Editorial sowie ein Auszug aus dem Leitartikel von Thomas Steininger: Das Ende der Postmoderne. Wie gelingt der Schritt in eine neue Zeit. Hier können Sie ein Einzelheft, ein Probe-Abo oder ein Abo bestellen.