Charles Eisenstein

AKTIVISMUS FÜR DIE SCHÖNERE WELT,
DIE UNSER HERZ KENNT

Ein Leben aus Verbundenheit

»Dinge und Licht«, Mischtechnik auf Tuch, 1983 (Ausschnitt). Alfred Bast
»Dinge und Licht«, Mischtechnik auf Tuch, 1983 (Ausschnitt). Alfred Bast

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Charles Eisenstein gilt als einer der Vordenker der Occupy-Bwegung. In seinen Büchern und Vorträgen lädt er die Menschen ein in eine neue Sicht der Welt und des Aktivismus. Seiner Ansicht nach sind wir auf dem Weg von einer Kultur der Trennung zu einer Kultur der Verbundenheit. Wir wollten von Charles Eisenstein wissen, was wirksamer Aktivismus für ihn bedeutet.
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evolve: Wir leben inmitten zusammenhängender Krisen — Klimawandel, Oligarchien, geschwächte Nationalstaaten, zahlreiche Kriege und Gewaltherde. Wie können wir etwas dafür tun, dass sich unsere Welt zum Positiven verändert?
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Charles Eisenstein: Ich habe viel über den Klimawandel nachgedacht. Wenn wir versuchen, den Klimawandel von global messbaren Variablen wie Kohlendioxid oder Treibhausgasen abhängig machen, werden wir die ökologische Krise noch verschlimmern, selbst wenn es gelingt, diese Variablen zu reduzieren. Wir kennen die Geschichte: Gesetze werden mit Geld und politischer Macht durchgesetzt. Es gibt immer einen Weg, sie zu umgehen. Heute gewinnt man in Europa, besonders in Deutschland, einen hohen Prozentsatz der Energie aus erneuerbaren Ressourcen, also aus Windenergie, Solarenergie und Biomasse. Die Zahlen machen also einen guten Eindruck, aber dahinter verbirgt sich die Tatsache, dass Wälder zerstört werden, um Holzspäne für Kraftwerke zu gewinnen. Das gilt als CO2 -neutral, weil die Bäume wieder nachwachsen werden. Die Entwaldung hat sich an einigen Orten aufgrund dieser Form von „Nachhaltigkeit“ vervierfacht. Es ist vollkommen verständlich, dass so etwas passiert, weil wir unsere Weltsicht nicht verändern. Aber das erfordert einen Wandel unseres Bewusstseins. Ein Bewusstseinswandel transformiert unsere Wahrnehmung und unsere Geschichten. Ich persönlich denke, dass es tiefere Ursachen für den Klimawandel gibt, Treibhausgase sind nur ein Grund dafür. Aber unser Verständnis der Natur ist einfach zu rudimentär.

Wenn wir in der Lage wären, die Natur als ein intelligentes, eigenständiges und heiliges Wesen zu erkennen, würden Gesetze eine Form der Erinnerung oder rituelle Übereinkünfte sein, die mit unserer Weltsicht übereinstimmen. Wenn wir unsere Weltsicht nicht verändern, dann wird uns kein Gesetz helfen, weil es immer umgangen werden kann. Aber wenn wir den Ökozid stoppen wollen – und mit Ökozid meine ich die schwere Schädigung und Zerstörung von Ökosystemen, egal wie klein sie sind –, ist das viel bedrohlicher für den normalen Gang der Dinge, unseren Status quo. Jedes wirtschaftliche Projekt hat auch eine Wirkung auf ein Ökosystem. Wir müssen also die Regeln für unseren Umgang mit den „Ressourcen“ unseres Planeten vollkommen umschreiben. Sogar die Bezeichnung „natürliche Ressourcen“ ist Teil des Problems, weil wir damit sagen, „der Planet ist für uns da, die Natur ist für uns da.” Auch der Begriff „Umwelt“ ist problematisch, weil er suggeriert, dass wir davon getrennt sind.

Lesen Sie das gesamte Interview in evolve 07 :„Die Zukunft in uns – Gesellschaft im Umbruch“