Editorial 28/2020

Titelmotiv Kunst von Ulrich Naumann

Fast jedes Mal, wenn ich Freunden und Bekannten vom Thema dieser neuen Ausgabe erzählte, erhielt ich als Antwort einen erstaunten Blick und eine Antwort in dem Sinne: Da habt ihr euch ja was vorgenommen!

Und natürlich ist es von vornherein eine große Aufgabe, einem Thema wie der Sinnkrise unserer Zeit wirklich gerecht zu werden. Die Corona-Pandemie und die vielen anderen Unsicherheiten der Gegenwart fordern uns alle.

Aber vielleicht eröffnet gerade der Blick auf eine tieferliegende Sinnkrise auch neue Möglichkeiten, die vielen Krisen in ihrer Wechselwirkung zu verstehen und darin für uns selbst und als Gesellschaft verwandelnde Gestaltungswege zu finden. Denn diese Sinnkrise betrifft auch unsere Fähigkeit, die Welt so zu verstehen, dass wir uns darin sinnvoll orientieren können. Sie betrifft aber zudem unser menschliches Bedürfnis, unserem Leben einen Sinn zu geben, der es uns ermöglicht, uns in unserem Dasein zugehörig, wirkungsvoll und verbunden zu fühlen. Mit dieser Ausgabe möchten wir Sie einladen, diese Fragen nach den möglichen Wegen aus der Sinnkrise in Ihrem eigenen Leben und Wirkungsumfeld zu erforschen.

Der Kognitionswissenschaftler John Vervaeke, mit dem wir in verschiedenen Formen zusammenarbeiten, spricht von einer »Meaning Crisis«. Er analysiert sehr umfassend die Sinnkrise, in die wir als westliche Zivilisation geraten sind, und denkt über mögliche Auswege nach, einem »Erwachen aus der Sinnkrise«.

Vervaekes Impulse waren einer der Auslöser, weshalb wir dieses Thema gewählt haben. Thomas Steininger führte ein ausgedehntes Interview mit dem Wissenschaftler, der gleichzeitig auch Meditations- und Tai-Chi-Lehrer ist. In diesem Leitartikel geht unser Herausgeber der Analyse Vervaekes auf den Grund und forscht nach einer möglichen lebbaren Antwort auf die Sinnkrise.

Einen ganz eigenen Blick auf die Sinnkrise hat Jordan Hall, der als eine Art Universalgelehrter mit Bezug auf unsere Geschichte das Spiel analysiert, das wir als Menschheit seiner Ansicht nach miteinander spielen. Geschenkt hat uns dieses Spiel niemand anderes als »der Teufel«. Was es damit auf sich hat und was ein neues Spiel sein könnte, zu dem wir eingeladen sind, lesen Sie in unserem Interview, dessen längere Version Sie sich anhören können. Den Link dazu finden Sie unter dem Text.

Auch der Transformationsgestalter Martin Winiecki, spirituelle Lehrerin Shakti Caterina Maggi, die Naturmystiker Ursula und David Seghezzi oder der Philosoph und Heidegger-Kenner Johannes Niederhauser entwerfen ihren eigenen Blick auf die Ausdrucksformen der Sinnkrise, ihren Ursprung und mögliche Wege des existenziellen Antwortens darauf. Wir hoffen, Ihnen so ein möglichst breites Spektrum von Zugängen zur Sinnfrage eröffnen zu können, das sie selbst zu tieferen Fragen und Antworten inspiriert.

Dabei sind wir dankbar, diese Ausgabe mit ihrem umfassenden Thema mit den Arbeiten des Künstlers Ulrich Naumann gestalten zu können. Wir fanden, dass seine geschichteten Bilder, die abstrakte Malerei mit konkreter Fotografie verbinden, diese Vielschichtigkeit anschaulich wiedergeben.

In dieser Ausgabe finden Sie auch weitere Impulse aus dem Kreis der Künstlerinnen und Künstler, mit denen wie unsere evolve-Ausgaben schon gestalten konnten. Wir freuen uns über den Kunst-Geschenk-Katalog, in dem Sie erschwingliche Kunstwerke finden, die ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk sind und gleichzeitig unsere Arbeit unterstützen. Ein inspirierendes Geschenk ist auch unser hochwertiges Kunst-Text-Buch, in dem wir Zitate aus sieben Jahren evolve mit Kunstwerken verbunden haben. Das Buch wird ab Ende November erhältlich sein (s. S. 4).

Während ich dies schreibe, denke ich auch mit Dankbarkeit an unseren evolve Live! Tag in München zurück. Wie ich in meinem Artikel beschreibe, war diese Dialogveranstaltung auch der Versuch, einen Begegnungsraum zu eröffnen, in dem sich Sinn zeigen kann. Eigentlich sind alle unsere Veranstaltungen, insbesondere auch die zunehmende Zahl der evolve Salons solche gemeinsamen, ko-kreativen Orte der Sinnfindung.

Es ist in dieser unsicheren Zeit schwierig, Veranstaltungen zu planen. Die evolve Live! Veranstaltung in Emmen am 7.11. zum Thema »Gemeinwohl und Geld« werden wir nun online veranstalten. Infos dazu finden Sie auf unserer Webseite. Für den Februar haben wir einen weiteren Dialog-Tag in München mit Vivian Dittmar geplant und werden die ausgefallene Veranstaltung in Linz mit Claudine Nierth nachholen. Wenn Sie in Ihrer Stadt ein solches Event oder einen Salon initiieren möchten, schreiben Sie uns.

Wir hoffen sehr, dass wir Sie mit solchen Veranstaltungen, mit unseren evolve Salons, dem evolve Radio und natürlich auch mit dieser Ausgabe des Magazins in einer so herausfordernden Zeit mit Inspiration, Orientierung, Vertrauen und Gestaltungskraft unterstützen und bereichern können.

Herzlichst
Mike Kauschke
Leitender Redakteur