Leserstimmen evolve 10

»Wie klingt Fußball«, evolve Nr. 10

Der Artikel ist schön logisch aufgebaut, dachte ich bei der Lektüre, aber irgendwie klingt da etwas Überhebliches durch: Gemeinsam Musik machen ist edler als gemeinsam Fußball spielen. Das ist komisch.
Na ja, es ist eben nicht einfach und ich finde, es ist sogar richtig schwer, kulturelle Aktivitäten zu vergleichen, Unterschiede hervorzuheben und dabei nicht arrogant zu werden.
Und sicherlich ist es dabei immer von Vorteil, wenn man die zu vergleichenden Aktivitäten selber aus der Praxis kennt, also Erfahrungen damit gemacht hat. Und die hat die Autorin, so wie sie es schildert, mit dem Musizieren, aber nicht mit dem Fußballspielen.

Womit eigentlich das Wesentliche gesagt wäre: ohne Praxiserfahrung lässt sich schlecht urteilen. Denn wer die durchaus erhebende Erfahrung gemacht hat, mit anderen wie ein großer Körper zielgerichtet zu handeln, hier also Fußball zu spielen, weiß, wovon ich spreche. Es muss durchaus nicht der Sieg im Vordergrund stehen. Der ist dann doch ebenso wie die Niederlage ziemlich schnell vergessen. Ein gelungener Spielzug aber kann eine verbindende Erfahrung für das ganze Leben bleiben. Ich erinnere mich heute noch gerne an solche zurück und fühle mich mit den daran beteiligten Mitspielern tief verbunden. Wir waren wirklich für Momente eins. Das sitzt in den Zellen.

Damit möchte ich natürlich nicht die wesentliche Aussage des Artikels infrage stellen, dass es Unterschiede gibt und dass es wichtig sein kann, diese hervorzuheben, vielleicht um evolutionäre Errungenschaften und Fortschritte zu beschreiben. Aber wie gesagt: das angemessen zu tun, also ohne etwas abzuwerten, ist eine Herausforderung.

Jochen Hansen
Per Email


Zum Artikel »Einheit von innen«, evolve Nr. 10

Ich möchte dem evolve-Team Dank sagen für eine so viele Leser bereichernde hingebungsvolle Arbeit und Beiträge, die über evolve das deutschsprachige Feld wunderbar begleiten und immer wieder zusammenführen. Es ist mir ein ganz persönliches Anliegen, dies zum Ausdruck zu bringen.
Heute möchte ich mich auf den Artikel von Wolfgang J. Aurose in der evolve 09 beziehen.

Der Artikel hat mich sehr berührt und mich innerlich abgeholt. Insbesondere der Satz: »Doch in jedem Fall kann die Vision nur Wirklichkeit annehmen, wenn genügend Einzelne sich mit ihrem eigenen, erwachenden Seelenbewusstsein mit dem entstehenden Seelenfeld des vereinten Kontinents in Bezug setzen.«
Beruflich habe ich mich vor einiger Zeit mit meinen Kolleginnen im Center for Human Emergence (CHE D-A-CH) auf eine Erforschungsreise zum Thema Europa und was es zusammenhält begeben. Ein sehr spannender und offener Prozess allemal. Wir sind u. a. energetisch eingetaucht in die Qualität der sich untereinander seit jeher vermählenden europäischen Königshäuser, sodass auf dieser Ebene schon jetzt von
europäischen Familien(banden) gesprochen werden kann. Auch in der Wissenschaft und Kunst ist es nicht anders gewesen. Europa ist seit jeher sehr reich an gemeinsamen Schicksalen und Verbindungen auf vielfältigsten Ebenen. Diese unterstützen sicherlich auch die weitere Emergenz des Seelenfelds Europa. Da ich auch der Schattenarbeit als Aufgabe im Persönlichen wie Kollektiven sehr verbunden bin, finde ich den Beitrag einfach nur wahr und gut – aller vorwärts- und rückwärtsgewandten Möglichkeiten und Chancen gewahr seiend.

Privat hat es mich mit Familie im vergangenen Jahr für zwei Jahre in die USA verschlagen – Deutschland den Rücken kehrend für eine Zeit. Wenn wir, wenn ich nächstes Jahr wiederkehre, wird es ein Heimkommen nach Europa sein. Der Raum in mir für meine Heimat hat sich geweitet, neu definiert. Der Satz von Ihnen oben drückt genau das aus, was bei mir gerade – ob ich will oder nicht – im Entstehen ist. Meine Seele verbindet sich – aus der Entfernung – mit dem entstehenden so bewegten und so strebenden Seelenfeld Europas.

Ich stehe etwas staunend davor, weil es fast ohne mein mentales Dazutun passiert. Etwas in mir entsteht quasi an mir vorbei, denn mein denkendes Ich findet es durchaus auch attraktiv auf dem US-amerikanischen Kontinent. Etwas scheint schon entschieden zu haben. Vielleicht hat Europa sich entschieden. …
Jedenfalls möchte ich meinen Beitrag leisten – in den Sinn kommt mir ein Zitat aus dem hier in New York hochgelobten, umjubelten Musical über Alexander Hamilton, einem der Founding Fathers der Nation: »I may not live to see the glory but I will gladly join the fight.«

Christine Gerike
Per Email


Herzlichen Dank für euer stetiges Engagement, im Flachlandbewusstsein die Fahne von Entwicklung zu einem höheren Bewusstsein hochzuhalten. Nach nunmehr schon fast 20 Jahren Erfahrung in integralen und pluralen Kontexten und der langjährigen Literatur fast aller relevanten Zeitschriften, bemerke ich die Zähigkeit von immer wiederkehrenden Themen. Sei es in den Artikeln, der Ansprache, Intonation und den Seminarangeboten. Klar, es geht immer wieder um den Wassertropfen, der auf dem Granit des Alltagsbewusstseins abperlt oder den Sandstein der »Sowieso-Interessierten« weiter aushöhlt. Danke dafür.
Und, ich frage mich schon sehr lange, auch auf und in den vielen Foren entwicklungsbereiter Menschen, wie sehr wir – und da meine ich uns alle, die sich einem (persönlichen) Wandel verschrieben haben – uns einer immer gleichen Subkultur bedienen und den Saft des Sekundärbewusstseins dadurch immer weiter verdünnen, Neuankömmlinge über Neugier und neue Erfahrungen zwar anfänglich begeistern und dann nach einer Zeit auch wieder verlieren. Es ist so ernüchternd zu sehen, wie sehr sich gemeinschaftliche Bestätigungsfelder auftun und gute Ansätze nach einer gewissen Zeit – u. a. aufgrund von Ablehnung des vorherrschenden konventionellen Bewusstseins – verpuffen. In vielen entscheidungsrelevanten Bezügen der meisten Berufe, teilweise sogar im Privaten vermögen wir es zumeist nicht, den Menschen in Verantwortung die Themenfelder der Bewusstseinsentwicklung zu eröffnen.

So geht es mir allein um die Feststellung, wie sich auch in redaktionellen Beiträgen eine Polarisierung stetig verfestigt. Offen oder auch unterschwellig wird von einem »gut« und »böse« bzw. »richtig« und »falsch« ausgegangen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass es um die Berechtigung aller Wertebilder geht, die sich im Leben zeigen. So auch in dem Artikel des von mir geschätzten Christian Felber »Wirtschaft braucht Werte«.

Gerade nach meinen vielen Erfahrungen in der Gemeinwohlökonomie steht diese Bewegung exemplarisch für die Krux dieses Wandlungsprozesses. Mit welcher Berechtigung sprechen wir »der Wirtschaft« fast schon generell ihre Werte ab? Sie hat genauso wie »die Politik« und jeder »Mensch« ihre Werte, die vielleicht nicht meine sind, doch im Kontext einer globalen Wirtschaftsentwicklung genau passend zu sein scheinen.
Vielleicht sind es ja wir »Gutmenschen«, die nur nicht sehen können oder glauben wollen, was nicht existiert. Nämlich die Einsicht, dass wir Menschen vielleicht gar nicht in der Lage sind, in der Tiefe die oft vor uns hergetragenen Werte von Glaube, Liebe und Hoffnung in einer postmodernen und globalisierten Welt leben zu können.

Oft schwingen in den Artikeln Argumente mit, dass Politik oder gar der einzelne Mitarbeiter wirkungsvoll an ihren Plätzen den Konventionen entgegenwirken können, indem jeder die (s)eine empathische Soße von Verständnis und Freude über alles ausschütten könnte. Dies wird besonders dann deutlich, wenn viele der ökologisch und sozial engagierten Menschen verbal auf dem Level der Artikel in den entsprechenden Zeitschriften argumentieren, doch in ihren Taten der Toleranz dann doch oft ein großes Loch klafft. Sei es vor allem in Gesprächskulturen, bei denen es auch um Entscheidungen geht oder in der Akzeptanz kleiner Schritte von Veränderung in den z. B. ökonomischen Systemen. Hier dann wird zumeist dogmatisch und fundamentalistisch agiert.

Findet Transformation also allein durch Proklamation und die stetige Wiederholung von Artikeln gleichen Inhalts statt, halt über die Jahre nur anders durch den Quirl gedreht? Sind nicht letztlich vielleicht doch allein Machtverhältnisse oder persönliche Schicksalsschläge Ausschlag für Veränderung und die Einsicht in ein Leben in tieferen Dimensionen? Vielleicht sind Artikel auch nur dazu da, um sich als Leser selbst Sinn zu geben und sich seine eigene Vorreiterrolle zuzuschreiben, da diese in der Norm des Alltags keine Erfüllung zu finden vermag? Möglicherweise sind wir ja durch die Lektüre entsprechender Beiträge auch allein rein egoistisch unterwegs, um uns unseren eigenen höherwertigen Lebenssinn allein nur zu denken?

Auch wenn sich dies vielleicht enttäuscht anhören mag, letztlich schafft diese Einsicht in mir eine pragmatische Demut, um in Zukunft nicht vor allem abgehobene Konzepte an eine immer gleiche Zielgruppe zu formulieren, sondern die Lebensziele der vorherrschenden Realität anzupassen und dadurch das wirklich wesentliche Anliegen nicht aus den Augen zu verlieren. Kurz: sich nicht stetig in der Selbstbefriedigung sich bestätigender Gruppengefüge die eigene Größe und Bedeutung zu spiegeln, sondern auch gerade in den Gruppen, in denen Widerstand bzw. Ablehnung vorherrscht, die so wesentlichen Themen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Gerade diesen strategischen Perspektivwechsel auch als zukunftsweisende Zeitschrift anzugehen, sehe ich als dringend angeraten.

Michael H. Beilmann
Per Email