Wegmarken einer neuen Bewusstseinskultur

Transformativer Journalismus für eine Welt im Umbruch

 

Wie kann evolve als Magazin und kultureller Impuls co-kreative Räume des Dialogs und der Synergie eröffnen? Diese Frage leitet uns bei der Gestaltung unserer Ausgaben. Wir sprachen mit dem Herausgeber von evolve, Thomas Steininger, über die schöpferischen Prozesse unserer Arbeit.

evolve: Der dialogische Prozess ist für unsere Arbeit bei evolve zentral. Warum ist es aus deiner Sicht so grundlegend und relevant, ein Magazin aus einem dialogischen Impuls heraus zu gestalten?

Thomas Steininger: Es ist der Versuch, für eine Antwort auf die Multiperspektivität unserer offenen Gesellschaft einen methodischen Ansatz zu finden. Das Dialogische setzt den Journalismus in einen anderen Kontext, weil es nicht darum geht, die wahre Geschichte zu erzählen, sondern darum, Perspektiven zusammen in einen Prozess zu bringen, in dem sich aus den verschiedenen Perspektiven permanent ein Wahrnehmungs- und ein Gestaltungsprozess entwickelt. Ein lebendiger Prozess, der nie aufhört.

Die Multipolarität und die Multiperspektivität zeigen sich durch unsere eigenen Erkenntnisprozesse in der Redaktion und die verschiedenen Menschen, die wir interviewen, die auf eine bestimmte Frage verschiedene Antworten geben. Die Leser werden mit diesen Sichtweisen konfrontiert und wir bieten mit den evolve Salons zusätzlich eine Möglichkeit, dass auch die Leser miteinander in den Dialog kommen. Die Idee des Magazins ist es, ein Denkanstoß zu sein, der in einem gewissen gesellschaftlichen oder kulturellen Feld den Dialog weiterführt und belebt.

Offenheit für Synergie

e: Im Dialog werden verschiedene Perspektiven in einem Ganzen gehalten, so dass sie nicht fragmentieren. Wie gelingt es, dass ein solches Ganzes auch in Konflikten oder Spannung erhalten bleibt?

TS: Eine wichtige Qualität dafür ist eine synergetische Grundhaltung: wenn ich meine Perspektive in ein Gespräch einbringe und auch akzeptiere, dass sie fragmentarisch ist, und wenn ich dir wirklich zuhöre und auch akzeptiere, dass du einen anderen Aspekt einbringst. Auf diese Weise kann das Erkenntnisinteresse so gestaltet werden, dass die verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Sichtweisen ein synergetisches Miteinander suchen. Im Magazin versuchen wir deshalb, diese Perspektiven so darzustellen, dass sie offen zueinander sind. So haben der Leser und die Leserin die Möglichkeit, ihre eigenen Synthesen zu finden. Die Widersprüche stehen zu lassen, aber so hinzustellen, dass sie füreinander offen sind, ist eine dialogische Grundhaltung. Sie hat immer die Einheit im Blick, ohne die Einheit vorwegnehmen zu wollen.

e: In einem Magazin braucht es auch eine gewisse Richtung oder Orientierung, zum Beispiel in der Themenwahl, in dem Prozess, durch den sich ein Thema entfaltet und in der Wahl der Interviewpartner. Was leitet diesen Prozess?

TS: Ich glaube, dass man sich zuerst einmal dazu bekennen muss, auch einen Standpunkt zu haben, ohne missionarisch zu sein, aber dennoch eine gewisse, sich durchaus in Entwicklung befindliche Sichtweise zu haben, die erkenntnisleitend ist. Wir haben eine Orientierung, die man integral nennen könnte. Wir haben sehr viel Respekt vor der Wissenschaft, gleichzeitig sehr viel Respekt vor der Spiritualität. Und wir haben sehr viel Respekt vor der offenen Gesellschaft als Gesellschaftsform. Aus dieser integralen Grundhaltung setzen wir Prioritäten, wohl wissend, dass es auch immer nur ein Teil des Spektrums ist. Gleichzeitig erkennen wir an, dass ich mich an einem Dialog nur authentisch beteiligen kann, wenn ich den Mut habe, in Offenheit einen Standpunkt zu beziehen.

e: Wie erlebst du den Prozess, wenn von diesem Standpunkt oder einer gewissen Grundhaltung aus ein Thema erarbeitet wird, in das verschiedene Perspektiven einfließen und an dem unterschiedliche Menschen mitwirken?  Wie entsteht hierbei eine Synergie?

TS: Erstens braucht es selbst einen entwickelten Standpunkt, das heißt, wir als Redakteure sind aufgerufen, informiert zu sein, unseren Standpunkt zu reflektieren, einen weiten Horizont und auch eine Tiefe entwickelt zu haben in der Art und Weise, wie wir uns einem Thema nähern. Gleichzeitig in einer Offenheit zu sein, die es erlaubt, sich auch radikal berühren zu lassen. Das heißt in den Gesprächen, die wir mit den jeweiligen Gesprächspartnern führen, zu lernen und infrage gestellt zu werden, weil Perspektiven hereinkommen, die wir noch nicht bedacht haben – dabei immer ausgerichtet an dem Interesse an der gemeinsamen synergetischen Findung einer tieferen weiteren Wahrheit.

Dr. Thomas Steininger ist Philosoph, Journalist und Herausgeber von evolve.