Wenn Farben singen – Ein Interview mit der Fotografin Tamara Dean

Wenn Farben singen

Ein Interview mit der Fotografin Tamara Dean

Die Ausgabe 41 von evolve konnten wir mit Fotografien von Tamara Dean gestalten. Wir sprachen mit ihr über die Beweggründe ihrer künstlerischen Arbeit.

evolve: Wie bist du zur Kunst und zur Fotografie gekommen?

Tamara Dean: Ich habe mich schon immer für Kunst interessiert und die Fotografie als Medium habe ich bereits in der High School kennengelernt. Ich habe auch skizziert, gezeichnet und gemalt, aber die Fotografie war ein sehr aktiver Prozess, der mir Spaß gemacht hat. Schon früh stellte ich fest, dass ich Emotionen und Aspekte des Menschseins, die sich nur schwer in Worte fassen ließen, in Fotos festhalten konnte. Das war eine natürliche Sprache für mich.

e: Soweit ich weiß, hast du dich zunächst der Dokumentarfotografie oder dem Fotojournalismus zugewandt. Ist das richtig?

TD: Ich begann mit der Kunstfotografie an meiner Kunstschule, nachdem ich die Schule verlassen hatte, und stellte fest, dass ich gut auf konzeptionelle Projekte ansprach, bei denen mir ein Thema vorgegeben wurde und ich darauf reagieren konnte. Aber während meiner Zeit an der Kunstschule wurden mir keine guten Grundlagen für die technischen Aspekte der Fotografie und der Kamera vermittelt. Einige Zeit später beobachtete ich Fotojournalisten bei ihrer Arbeit während einer Demonstration, sie schienen zu wissen, wie man mit einer Kamera umgeht. Deshalb dachte ich, dass dies ein guter Weg für mich sein könnte, um zu lernen, eine bessere Fotografin zu werden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich mehr als ein ganzes Jahrzehnt lang als Fotojournalistin tätig sein würde. Aber das war die Richtung, in die es dann ging. Nach der Hälfte meiner Zeit beim »Sydney Morning Herald«, wo ich 13 Jahre lang arbeitete, fand ich in der Fotografie zu meinen künstlerischen Wurzeln zurück. Ich begann mich mehr für meine eigene konzeptionelle Fotografie zu interessieren. Das habe ich eine Zeit lang parallel fortgesetzt, bis ich den »Sydney Morning Herald« verließ und mich ganz der künstlerischen Fotografie zuwandte.

e: Was hat dich dazu bewogen, dich wieder der künstlerischen Seite der Fotografie zuzuwenden?

TD: Als ich als Fotojournalistin arbeitete, war ich sehr vertieft darin, die Geschichten anderer Menschen zu erforschen und Abenteuer zu erleben. Es war eine aufregende Welt. Dann wurde ich 2005 mit meiner Tochter schwanger, und mir wurde klar, dass ich unmöglich so weiterarbeiten konnte. Und schon 15 Monate später kam mein Sohn zur Welt. In dieser Lebensphase hatte ich Zeit, darüber nachzudenken, in welche Richtung es weitergehen könnte. Ich erinnerte mich daran, wovon ich anfangs mit der Fotografie geträumt hatte. Das Tempo meines neuen Lebens als Mutter war wie geschaffen für konzeptionelle Arbeiten. Ich verbrachte viel Zeit damit, sie zu planen, zu erdenken und zu erträumen. Dieser Übergang fand also statt, weil ich meine Kinder bekam, aber auch, weil ich dadurch einen Moment des Innehaltens hatte, um herauzufinden, wohin mein Leben führen würde.

e: Wie findest du die Themen oder Vorstellungen für bestimmte Werke oder Werkserien?

TD: Das hat sich ganz organisch entwickelt. Mein erstes konzeptionelles Werk hieß »Ritualism«. Das war der Punkt in meinem Leben, an dem ich mich fragte, welche Rolle die Spiritualität im heutigen Leben spielt. Ich stellte mir Fragen zu meiner Existenz. Alle meine Arbeiten sind Teil einer Geschichte, die sich  auf mein Leben, mein Denken oder meine Sorgen bezieht. Diese Geschichten und die Fotografie verschmelzen miteinander. Es ist eine Mischung aus der Entscheidung für etwas, das ich tun möchte, und der Beobachtung, was die Umgebung um mich herum unterstützt.

Ich habe zum Beispiel versucht, 2019 ein Werk mit dem Namen »Solastalgia« zu schaffen. Aber zur Jahreswende 2019/2020 ereigneten sich die verheerenden Buschbrände und dann begann Covid. Diese größere Serie, deren Thema der besorgniserregende Zustand der Welt war, musste ich einstellen, weil ich nicht an die Orte gelangen konnte, die ich aufsuchen wollte. Das Umfeld hat die Arbeit nicht unterstützt, also ist sie nicht zustande gekommen. Es ist also eine Mischung aus Absicht und dem, was mein Umfeld unterstützt.

e: In deinen Werken geht es oft um die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Warum kommst du immer wieder auf dieses Thema zurück?

TD: Weil ich das Gefühl habe, dass in unserer westlichen Kultur das Gefühl vorherrscht, dass wir von der Natur getrennt sind. Das hat dazu geführt, dass die Menschheit die Sensitivität und den Wert unserer natürlichen Umwelt missachtet hat. Ich hoffe, dass ich Menschen dazu motivieren kann, sich um die Umwelt zu kümmern, indem ich ihnen das Gefühl vermittle, ein Teil der Natur zu sein und nicht außerhalb von ihr zu stehen. Es braucht viele Menschen, die sich um die Umwelt kümmern, um sie – und uns – zu retten.

e: Auf vielen deiner Bilder sind die Menschen nackt. Welche Rolle spielt die Verletzlichkeit und Intimität des nackten Körpers in der Natur in deiner Arbeit?

TD: Verletzlichkeit ist definitiv ein Wort, das ich verwenden würde, vor allem in meiner Serie »Endangered«, in der ich zu zeigen versuchte, wie verletzlich der Mensch in der Umwelt ist. Ich habe den menschlichen Körper mit einem Fischschwarm verglichen und gezeigt, wie zerbrechlich wir unbekleidet sind, gar nicht so anders als andere Tiere, sogar Fische. Indem die Menschen unbekleidet sind, kann auch das Gefühl für die Zeit verloren gehen. Es hat etwas Zeitloses an sich. Man kann es sich als Vergangenheit oder Zukunft vorstellen, aber es passt nicht unbedingt in unser heutiges Alltagsleben. Es geht nicht mehr um eine Person oder eine Persönlichkeit, sondern um den Menschen, die Menschheit und ihre Beziehung zur Umwelt.

e: Oft scheinen deine Arbeiten eine Geschichte zu erzählen. Wie gehst du an ein Werk so heran, dass eine Momentaufnahme eine Erzählung enthält?

TD: Ich versuche, Werke zu schaffen, die den Betrachter Fragen stellen lassen. Wenn eine Geschichte in einem Foto oder einem Kunstwerk schon direkt aufgelöst wird, kann es sehr leicht geschehen, dass man sie in ihrer Perfektion oder Endgültigkeit einfach übergeht. Ich reagiere auf jeden Fall auf Bilder, die Fragen stellen und den Betrachter in die Geschichte einbeziehen und sie mit seinem eigenen Leben in Verbindung bringen. Das habe ich zum ersten Mal bei einer Arbeit mit dem Titel »The Creek« entdeckt, die ich in der Umgebung von New York gemacht habe. Auf diesem Foto ist ein Mädchen zu sehen, das das Bild verlässt, und einige andere Mädchen sind verteilt an einem Bach. Ich stellte bei dieser Arbeit fest, wie kraftvoll die Figur war, die den Rahmen verließ, weil sie den Betrachter aus dem Bild herauszog. Sie gab keine Antwort. Es gab eine Welt jenseits des Bildes, an die man Fragen stellen und die man sich vorstellen konnte.

e: Du scheinst dich auch für Werke zu interessieren, die die Schönheit eines Augenblicks, das Hier und Jetzt, zeigen. Was interessiert dich daran, einen besonderen Moment in der Zeit festzuhalten?

TD: Das ist der Punkt, an dem der Einfluss des Fotojournalismus in meiner Arbeit zum Tragen kommt. Als ich als Fotojournalistin und Dokumentarfotografin arbeitete, folgte ich der Energie von etwas, von dem ich erwartete, dass es zu einem bestimmten Moment eintreten würde. Sei es auf einem Festival oder bei einer Demonstration oder sogar bei meinen eigenen Aufnahmen. Situationen bauen sich zu einem Moment auf, und dem folge ich. Und wenn dieser Moment gekommen ist, verschwindet die Energie. Ich bringe mich in die bestmögliche Position, um den Moment einzufangen, wo alles zusammenkommt.

e: Du arbeitest auch bei deinen Unterwasserarbeiten damit, solche Momente zu schaffen. Was hat dich zu dieser Art von Arbeit geführt und dazu bewogen, ein Unterwasserstudio zu bauen?

TD: Ich habe an einer Serie mit dem Titel »Instinctual« gearbeitet, in der ich Fotos gemacht habe, bei denen ich von einer Brücke auf ein Gewässer hinunterblickte. Dort schwammen Menschen und ihre Bewegungen erinnerten mich an das Motiv des Fischschwarms, das sich durch die Art und Weise, wie sich ihre Körper durch das Wasser bewegten, ergab. Es war eine ziemlich starke Beziehung spürbar zwischen den menschlichen Figuren und dieser Anordnung. Damals dachte ich, dass es unter Wasser fantastisch aussehen würde, aber ich hatte mehrere Jahre lang keine Gelegenheit, es auszuprobieren.

Dann bot sich mir die wunderbare Gelegenheit, mit dem Klimarat zu einem Informationswochenende nach Heron Island am Great Barrier Reef zu fahren, an dem viele Menschen aus verschiedenen Branchen teilnahmen: Künstlerinnen, Musiker, Führungskräfte aus der Wirtschaft, Umweltschützerinnen – eine bunte Mischung von Menschen. Da das Wasser am Great Barrier Reef so klar und schön ist, dachte ich, ich könnte vielleicht ein paar Leute überzeugen, für mich Modell zu stehen. Ich nahm also meine Unterwasserkameraausrüstung mit und fragte ein paar Leute, ob ich diese Idee ausprobieren dürfte, und sie waren einverstanden. Wir machten einen kleinen Test bei einem Schnorchelausflug, und es übertraf meine Erwartungen. Es sah wunderbar aus. So gelang es mir, eine größere Gruppe von Menschen dazu zu bringen, diese Idee weiter auszuprobieren, indem ich die Menschenkörper wie Fische schwärmen ließ. Aber ich fühle mich nicht sehr sicher im Ozean, es war eine große Herausforderung für mich. Ich habe diese Serie in der Nähe meines Wohnortes fortgesetzt, aber bei der Arbeit im Wasser muss ich sehr viel Kontrolle abgeben, was mir unangenehm ist, weil ich meine Kamera dabei gerne vollständig unter Kontrolle habe.

Das war einer der Gründe, warum ich das Unterwasserstudio gebaut habe. Der andere Grund waren die Lockdowns wegen Covid. Ich dachte mir, wenn das zur neuen Normalität wird, möchte ich unter Wasser weiterarbeiten können, ohne unser Grundstück verlassen zu müssen. Damit wollte ich sicherstellen, dass ich weiterhin in diesem Bereich arbeiten kann, den ich spannend und inspirierend fand. Außerdem habe ich das Studio so eingerichtet, dass es warmes Wasser enthält, so dass sich Menschen dort auch längere Zeit aufhalten können. Ich befinde mich außerhalb des Wassers, es gibt ein großes Fenster, und das macht es viel einfacher, mich auf das zu konzentrieren, was ich ausdrücken und zeigen möchte.

e: Du hast die Unterwasserarbeit mit Stillleben oder Menschen in schwimmenden Bewegungen erforscht. Es hat den Anschein, dass es deine Vorstellungskraft von dem, was du ausdrücken möchtest, beflügelt hat, weil du diese Situationen im wirklichen Leben nicht schaffen kannst. Wie hast du dieses Erforschen von Effekten, die normalerweise nicht möglich sind, in deiner Fotografie erlebt?

TD: Ich finde das wirklich spannend. Mit meiner Serie »Palace of Dreams« war ich in der Lage, etwas Abstrakteres einzufangen. Ich habe versucht, eine Emotion und ein Gefühl einzufangen, wie in einer auf dem Kopf stehenden Welt, in der man nicht weiß, was auf einen zukommt: Was ist oben? Was ist unten? Indem ich die Horizontlinie und die Orientierung von oben oder unten wegnahm, konnte ich das Gefühl ausdrücken, das ich in dieser Zeit hatte, in der ich ziemlich verängstigt und unsicher war, wie es weitergehen würde.

In der uns bekannten Welt gibt es viele Dinge, derer wir uns sicher sind. Die Schwerkraft ist eines davon. Wir haben Erwartungen daran, wie sich Objekte bewegen und reagieren werden. Es war eine wahre Freude, die Beziehung zwischen den Objekten, dem Wasser und den Spiegelungen neu zu entdecken. Selbst so einfache Dinge wie eine Pflanze namens Elefantenohr, die an unserem kleinen Teich wächst, lösen bei mir immer wieder Verwunderung aus. In einem meiner Werke habe ich ein Blatt dieser Pflanze genommen und meinen Sohn gebeten, es ins Wasser zu tauchen, ohne zu ahnen, dass es dort nicht grün sein würde. Da das Blatt wasserabweisend ist, war es silberfarben und tanzte im Wasser umher. Einfach wunderschön. Solche kleinen Überraschungen gibt es immer wieder, wenn ich Objekte ins Wasser tauche.

e: Viele dieser Arbeiten haben eine gemäldeartige Qualität. Ich habe gelesen, dass du bei der Arbeit an der Serie »Suspended Moments« auch mit der Stilllebenmalerei in Resonanz gegangen bist. Wie präsent ist diese Resonanz in deiner Fotografie?

TD: Die Stillleben-Serie war eine Idee, von der ich nicht wusste, wie sie sich entwickeln würde. Ich habe damit gespielt. Das Stillleben ist sehr formal geprägt und ein sehr bekanntes Genre. Ich entwickelte Freude daran, neue Perspektiven und Verwunderung zu erzeugen, wenn ich diese Struktur benutze. Aber es hat auch eine ernste Seite, denn es werden Dinge vom Wasser weggespült. In Australien erleben wir diese extremen Feuer und Überschwemmungen, wie sie überall auf der Welt häufiger und heftiger vorkommen. Und ich habe eine sehr lebhafte Fantasie. Wenn ich also daran denke, dass das Leben von Menschen weggespült wird, stelle ich mir all diese turbulenten Umwälzungen vor. Mit den kleinen Inszenierungen, die ich mache, will ich keine solche Überschwemmung abbilden; aber es ist meine Art, diese Zeit, die wir durchleben, zu verarbeiten. Ich versuche, schöne Dinge zu schaffen und gleichzeitig die ernsten Themen anzusprechen, die mir am Herzen liegen. Aber in meiner eigenen Arbeit versuche ich, durch die Werke Schönheit zum Ausdruck zu bringen, um über diese sehr ernüchternden Themen, die wir durchleben, sprechen zu können.

e: Interessanterweise sprichst du diese ernsten Themen und Situationen an, in denen wir uns befinden, und bringst gleichzeitig auch die Schönheit und das Staunen zum Ausdruck. Gibt es etwas, das du damit beim Betrachter hervorrufen willst?

TD: Die Art und Weise, wie ich mit dem Leben in dieser Zeit der Verzweiflung hinsichtlich unserer Umwelt umgehe, besteht darin, dass ich weiterhin Inspiration und Energie aus meinem Gefühl des Staunens darüber schöpfe, am Leben, in der Welt und in dieser Umwelt zu sein. Ich folge meiner Neugier und meinem Staunen über die Welt und lade die Menschen sanft dazu ein, darüber nachzudenken, was gerade passiert. Ich gebe zu, dass ich es selbst ziemlich schwierig finde, die Bilder der Verwüstung zu betrachten, die auf unserem Planeten geschieht. Und wir Menschen neigen dazu, abzuschalten, weil wir ständig davon überflutet werden. Deshalb finde ich es für mich als Künstlerin kraftvoller, auf eine sanftere Art und Weise über wichtige Themen zu sprechen, damit die Menschen nicht völlig abschalten.

e: In deinen Werken ist ein Interesse an Ritualen, Übergängen und Übergangsriten zu spüren. Warum ist das ein Thema, das du immer wieder aufgreifst?

TD: Als ich die High School beendet hatte und versuchte herauszufinden, wer ich war, ging ich auf Sinnsuche in den Wald und auf Festivals. Ich habe mich selbst in Situationen gebracht, in denen ich Angst hatte und an meine Grenzen gestoßen bin. Das hat mich zu meiner Serie »The Edge« motiviert, in der ich junge Leute gebeten habe, mich dorthin mitzunehmen, wo sie in der Natur ihre Unabhängigkeit ausreizen wollten oder sich an ihre Grenzen begaben, denn das war Teil meines Weges. Einige sprangen zum Beispiel an Seilschaukeln von Felsen in Flüsse.

Während des Lockdowns konnte ich niemanden anders fotografieren. Also habe ich mich selbst fotografiert. Ich ging jeden Tag nach draußen und bedeckte mich mit Ästen oder anderen natürlichen Elementen. Ich war körperlich mit der Erde, den Bäumen und dem Wasser verbunden. Ich empfand dies als eine belebende Erfahrung in einer emotional schwierigen Zeit, in der ich sehr ängstlich war. Ich sehe diese Serie als einen Übergangsritus, den ich für mich selbst geschaffen habe, um diese Zeit zu überstehen. Die Möglichkeit, direkt vor meiner Haustür zu arbeiten und so nah mit der Natur zu sein, war wirklich hilfreich für mich.

e: Man hat den Eindruck, dass du sehr bewusst mit der Präsenz von Farbe und Licht arbeitest. Geschieht das während des Prozesses oder ist es eine Komposition?

TD: Das ist der Punkt, an dem Einflüsse aus der Malerei in meiner Arbeit zum Vorschein kommen. Ich liebe die Gemälde von John William Waterhouse und den Präraffaeliten, diesen Sinn für die Landschaft, die Leuchtkraft der Farben in der Landschaft. Ich liebe Farbe und Licht, das sind für mich einfach sehr verführerische Elemente. Also versuche ich, sie darzustellen. Ich habe immer versucht, zu einer Tageszeit zu fotografieren, in der die Farben magisch sind. Wenn die Sonne untergeht, wird das Grün einfach so lebendig.

e: Hast du das Gefühl, dass bestimmte Farben auch eine symbolische oder erzählerische Qualität haben? Suchst du bestimmte Bilder auch wegen der Präsenz von Farbe?

TD: Ich lasse mich definitiv von Licht und Farbe leiten. Deshalb fotografiere ich am liebsten im letzten Licht des Tages, weil der Kontrast zwischen der Figur und der Landschaft besonders schön ist. Die Art und Weise, wie sich die Äste der Bäume von der Landschaft abheben, hat etwas Poetisches an sich. Aber ich suche die Farben nicht speziell in einer symbolischen Weise aus. Ich liebe diese gesättigten, tiefgrünen Farben – ich sehe sie gerade in unserem Garten, wenn ich aus dem Fenster schaue, überall ist es grün und das letzte Licht ist sehr sanft und bringt die Farben zum Singen.

e: Viele deiner Werke haben eine transzendente Qualität, ein Leuchten, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Ist eine spirituelle Verbindung in irgendeiner Weise Teil deiner Arbeit und des Prozesses, in dem sie entstehen?

TD: Wenn ich die Arbeiten gestaltete, habe ich kein Gefühl für diese Dimension. Es fühlt sich nicht wie ein transzendenter Moment an. Es ist eine sehr praktische Herangehensweise mit den Kameras und dem Timing. Aber ich strebe danach, Bilder zu schaffen, die diese Energie in sich tragen. Und für mich geht es darum, demjenigen, den ich fotografiere, oder dem, was ich fotografiere, einen Schritt näher zu kommen. Ich versuche, etwas Subtileres zum Ausdruck zu bringen, was ich mit den physischen Attributen des Fotos nicht zeigen kann. Ich versuche, das Herz oder die Seele der Person zu zeigen, die ich fotografiere, und das, womit sie zu tun hat. Es ist nicht so, dass ich auf Gott zeige oder versuche, eine religiöse Aussage zu machen. Es geht darum, die Gefühle auszudrücken, die wir empfinden.

Das Gespräch führte Mike Kauschke.

Tamara Dean ist eine renommierte Fotomedienkünstlerin, die in den Bereichen Fotografie, Installation und Bewegtbild arbeitet. In ihrer Arbeit erforscht sie die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt. Dean wurde mit ihrer Fotoserie »In Our Nature« und ihrer Installation »Stream of Consciousness« (SOC) als Künstlerin für die Adelaide Biennale für australische Kunst 2018 ausgewählt und erhielt ein Stipendium des Australia Council for the Arts. Deans Arbeiten befinden sich in namhaften Sammlungen, darunter die National Gallery of Australia Collection, Parliament House Art Collection, The Art Gallery of NSW, Art Gallery of South Australia, Artbank.

www.tamaradean.com.au

@tamaradean