HEIMAT NEU DENKEN – Ein Ruf nach einer neuen Bewusstseinskultur

Abbildung: Kunst von Christian Kreisel

Es gibt eine neue rechtspopulistischen Heimatbewegung. Aber welche Heimat verteidigen die neuen identitären Denker und Aktivisten eigentlich? Thomas Steininger stellt sich die Frage, ob unsere traditionelle Sicht auf Heimat diesem tiefen menschlichen Bedürfnis überhaupt gerecht wird. Heimat hat vielleicht noch ein ganz anderes Gesicht.

Thomas Steininger

Der österreichische »Volks-Rock ‘n’ Roller« Andreas Gabalier ist auch in Deutschland ein Star. Mit seiner Mischung aus Volksmusik, Schlager und Rock ‘n‘ Roll wurde er zur Nr. 1 in den Charts der deutschen Popmusik. Seine neue Heimatmusik, diese Mischung aus Lederhosen- und Pop-und-Rock-Ästhetik füllt die großen Konzerthallen dieses Landes. Auch seine Nähe zum neuen Rechtspopulismus schadet seiner Beliebtheit nicht. Andreas Gabalier ist ein Phänomen unserer Zeit, eines der vielen Beispiele für diese neue Sehnsucht nach Heimat, die wir in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern heute sehen.

Es gibt noch einen anderen heimatbewussten Österreicher, der in den letzten Jahren in Deutschland, wenn auch nicht in dem gleichen Ausmaß, »Karriere« gemacht hat. Der Wiener YouTuber Martin Sellner ist zum öffentlichen Gesicht der »Identitären Bewegung« geworden. Diese rechtslastige, völkisch orientierte Aktivistengruppe hat mit medienwirksamen aktionistischen Mitteln, die sie von Organisationen wie Greenpeace oder Amnesty International übernommen haben, immer wieder die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gefunden. Auch ihr Anliegen, die »Überfremdung unserer Heimat« zu stoppen, findet bei vielen Resonanz.

Man kann Martin Sellner schon als erfolgreichen YouTube-Influencer bezeichnen. In den letzten Monaten habe ich einige Zeit damit zugebracht, ihm auf seinem Video-Kanal einfach einmal zuzuhören. Mich interessierte, wer dieser Mann ist. Oft wird er als Nazi gesehen, auch wenn er sich bewusst dieser extremistischen Rhetorik enthält. Auf jeden Fall ist Martin Sellner ein Gegner der offenen Gesellschaft, ein Freund von Orban und Salvini und als solcher nach meinem Empfinden jemand, dem man entgegentreten muss. 

Ja, da ist jemand, der einen Kampf für seine Heimat führt, jemand, der seine vertraute Heimat in Gefahr sieht, von »Fremden« übernommen zu werden. Aber da ist kein Aufruf zur Gewalt, im Gegenteil, ein Aufruf zur Gewaltlosigkeit, zu friedlicher Debatte, und, aus seiner Sicht, ein Aufruf zu einer lebendigen Demokratie. Natürlich ist hier auch viel Kommunikationsstrategie zu finden. Die alten völkischen Begriffe und Denkformen, das alte Auftreten der »Heimattreuen« ist durch die Gräuel der Nazi unmöglich geworden. Aber wenn man das für einen Augenblick beiseitestellt und versucht, einem Menschen zuzuhören, stellt sich mir die Frage: Worauf reagiert ein Martin Sellner? Was meint er mit der Angst um die Heimat? Und, vor allem, sprechen wir eigentlich von derselben Heimat? Heimat, das scheint uns intuitiv so klar zu sein, dass wir selten darüber nachzudenken, wofür dieses so emotionale Wort steht.

Lesen Sie den kompletten Text in der evolve Ausgabe 24 / 2019