John Bunzl: Grün vs. Wettbewerbsfähig: Die Pattsituation bleibt bestehen

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John Bunzl

Grün vs. Wettbewerbsfähig: Die Pattsituation bleibt bestehen

Von John Bunzl

Übersetzung: Anke Lessmann

John Bunzl, Begründer der Simultaneous Policy (Simpol), geht am Beispiel des Pariser Klimaabkommens der Frage nach, wie modernes Effizienzdenken und postmoderne Nachhaltigkeitsperspektiven im globalen Politik- und Wirtschaftssystem in ihrem Zusammenwirken gemeinsam getragene Verbindlichkeiten möglich werden lassen könnten. Anstatt, wie im politischen und wirtschaftlichen Diskurs bisher üblich, Ökonomie und Ökologie in ihrem Widerstreit zu betrachten, plädiert Bunzl für ein Denken in größeren Bewusstseinsräumen, für multithematische Betrachtungen, in denen aus der bestehenden Vielfalt an Denkweisen und Systemen die Emergenz umfassenderer Lösungen möglich werden könnte.

 

Ende 2015 wurde in Paris ein ‚historisches’ Abkommen ausgehandelt, welches nicht nur die Reduzierung der Treibhausgasemissionen angeht, sondern auch auf eine grundlegende Änderung unserer Geschäftsmethoden abzielt. Marktwirtschaftliche Lösungsansätze sollen in der vom Pariser Abkommen entworfenen kohlenstoffarmen Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.

Zwanzig Jahre nachdem Michael Porter darüber schrieb, wie Umweltschutz Unternehmen konkurrenzfähiger machen kann, sehen wir jetzt die erste Anwendung dieser Ideen. Aber trotz des neuen „Grünen Kapitalismus“ bleibt die Frage: Kann die Wirtschaft angemessen auf den Klimawandel reagieren?

Das angeschlagene Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) verdrängend, geht der Grüne Kapitalismus einen Schritt weiter, indem er Nachhaltigkeit und Profit mit Effizienz und Innovation zusammenschweißt. Pionierunternehmen nutzen diese Chancen und überwinden die statische Mentalität grüner Compliance in Richtung anhaltender Nachhaltigkeitsdynamik, kontinuierlicher Überprüfung von Geschäftsbedingungen und der sich bietenden Möglichkeiten. Das beinhaltet, schärfere Richtlinien nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu sehen. Wie Porter erläutert:

„Statisches Denken bringt Unternehmen dazu, Umweltstandards zu bekämpfen, die eigentlich ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern könnten. Die meisten Kohlenteerbrennereien in den Vereinigten Staaten wandten sich 1991 zum Beispiel gegen Bestimmungen, die eine erhebliche Reduzierung der Benzolemissionen vorschrieben. Damals gab es nur die Lösung, Teerspeichertanks mit kostspieligen Gas-Schutzschichten zu versehen. Aber die Vorschrift beflügelte die Aristech Chemical Corporation of Pittsburgh in Pennsylvania dazu, eine Methode zu entwickeln, Benzol im ersten Verarbeitungsschritt vom Teer zu trennen, wodurch sich eine Gas-Schutzschicht erübrigt. Statt unter einem Kostenanstieg zu leiden, sparte Aristech $3,3 Millionen ein.“

In dieser neuen Konfiguration wird Nachhaltigkeit – schärfere Bestimmungen eingerechnet – profitabel, und das meiste davon ist gesunder Menschenverstand. Umweltverschmutzung = Ineffizienz, also bedeutet Umweltschutz weniger Verschwendung, weniger Kosten, und mehr Profit und Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen fangen an, sich dieser neuen ökonomischen Landschaft anzupassen, indem sie Klimaaktivitäten aus der Sicht von Risiko und Chance neu definieren. Derartige Innovation ist der Herzschlag des Kapitalismus, aber ist selbst dies ausreichend, um die schlimmsten Effekte vom Klimawandel abzuwehren?

Die beste Verordnung beginnt laut Porter mit eher lockeren Standards aber dafür der klaren Botschaft, dass schärfere Regelungen folgen werden. Obwohl rechtlich nicht bindend, folgt das Pariser Abkommen diesem Ansatz, indem es zumutbare Ziele für Emissionsreduzierung spezifiziert und durch einen Mechanismus unterstützt, der diese Zielsetzungen alle 5 Jahre erhöht. Das Ergebnis ist eine sofortige Notwendigkeit zum Handeln, um die Emissionen herunterzufahren und sich einen Vorsprung im Markt zu sichern.

„Schön und gut“ könnte man sagen. Aber wie lange wird das alles brauchen? Das Problem ist, dass Porters Ansatz zwangsläufig graduell ist. Regierungen, sagt er, sollten: „Verordnungen zeitgleich mit anderen Ländern entwickeln oder ihnen etwas voraus sein. Es ist wichtig, den möglichen Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Unternehmen, die noch nicht den gleichen Standards unterworfen sind, zu minimieren.“

Die Hoffnung ist natürlich, dass das Pariser Abkommen alle Nationen dazu bringt, sich gemeinsam zu bewegen, um so jegliche Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Aber die Unverbindlichkeit des Abkommens wird unweigerlich bedeuten, dass Regierungen extrem vorsichtig bleiben werden. Aus Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft werden sie sich im Endeffekt auf sehr kleinschrittige Regulierungsmaßnahmen beschränken. Das Problem ist dann, dass die möglicherweise verheerenden Effekte des Klimawandels, der viel schneller voranschreitet, diese Maßnahmen wahrscheinlich immer noch überholen werden. Und hier erleidet der grüne Kapitalismus Schiffbruch. Das Dilemma zwischen ‚Umwelt schützen‘ und ‚wettbewerbsfähig bleiben‘ ist nicht verschwunden, und zwar aufgrund des Faktors Zeit – Zeit, die wir nicht haben.

Wie also können Regierungen strenge Vorschriften einführen, die mit dem rasanten Tempo des Klimawandels Schritt halten können, ohne der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit zu schaden?

Dies zu erreichen bedeutet unweigerlich, dass Regierungen weit über kleinschrittige Verordnungen hinausgehen müssen. Das wiederum wird bedeuten, dass Unternehmen nur einige dieser Kosten durch Innovationen vermeiden können.  Der Schlüssel, die verbleibenden Kosten dennoch akzeptabel zu machen, liegt für Regierungen darin, Wettbewerbsgleichheit für alle Unternehmen weltweit sicherzustellen. Ein noch nie dagewesenes Maß an internationaler Zusammenarbeit ist dafür nötig.

Regierungen dabei zu helfen, Unternehmen mit höheren Kosten zu belegen, mag sich für Unternehmen wie eine pathologische Form von Selbstverletzung anhören! Aber wenn diese Kosten von allen Unternehmen weltweit gleichermaßen getragen werden und dadurch keinerlei Schaden für die Wettbewerbsfähigkeit entsteht, stören sie dann überhaupt irgendjemanden? Insbesondere wenn das zugleich die Erhaltung eines gesunden Planeten bedeuten würde, auf dem die Wirtschaft langfristig gedeihen könnte?

Diese globale Wettbewerbsgleichheit herzustellen kann dann möglich werden, wenn Regierungen einen anderen Ansatz für internationale Klimaverhandlungen wählen als bisher. Statt Kooperation erzwingen zu wollen, muss ein Weg gefunden werden, Kooperation so zu gestalten, dass sie im Eigeninteresse jeder einzelnen Nation ist. Wenn das gelingt, werden auch Nationen ein Interesse daran haben, Vereinbarungen rechtsverbindlich zu machen. Aber wie?

Statt des derzeitigen Einzelthema-Ansatzes, der sich allein mit den Kohlenstoffemissionen befasst, könnten Regierungen einen Mehrthemenansatz wählen, der themenübergreifende Kompromisse ermöglicht. Wenn zum Beispiel eine globale Devisentransaktionssteuer (Tobinsteuer) in der Kohlenstoffemissionsvereinbarung enthalten wäre, könnten die immensen Einnahmen aus dieser Steuer genutzt werden, um Nationen, die im  Klimateil der Vereinbarung finanziell verlieren, dafür zu entschädigen. Alle Nationen würden gewinnen und Unternehmen in diesen Nationen könnten im Gegenzug entschädigt werden. Auf diese Weise könnten sofortige und drastische Maßnahmen zur Emissionsreduzierung erreicht werden, die Vereinbarung wäre verbindlich, und keine Nation und kein Unternehmen müsste einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Zwar wären Unternehmenskosten geringfügig höher, aber niemand würde einen Wettbewerbsnachteil erleiden, da alle Unternehmen weltweit gleiche Ausgangsbedingungen hätten.

Diese Form der verstärkten internationalen Zusammenarbeit wäre keine leichte Aufgabe. Was jedoch klar zu sein scheint, ist, dass der derzeitige Einzelthemen-Ansatz versagt, wenn es darum geht, ausreichend schnelle Maßnahmen zum Klimawandel zu liefern. Das Pariser Abkommen, obwohl ein diplomatischer Durchbruch, stellt die Weichen unseres Planeten immer noch in Richtung Erwärmung über 3 Grad.

Sicherlich ist der grüne Kapitalismus ein Schritt in die richtige Richtung, aber ohne multi-thematisch verhandelte, substantielle internationale Kooperation wird er sich wahrscheinlich als zu klein und zu spät erweisen. Zu großes Vertrauen wird in den freien Markt gesetzt. Unternehmen sollten Regierungen auffordern, sich schnell in Richtung internationale, multi-thematische Win-Win-Verhandlungen zu bewegen. Für Unternehmen ist es an der Zeit zu verlangen, dass Regierungen internationale Klimaverhandlungen für tragfähige Erfolge statt für Miss- und Scheinerfolge entwerfen.

John Bunzl ist Gründer der globalen Politik-Initiative „Simpol“ (Simultanpolitik).

Das Original dieses Beitrags erschien im Januar 2016 in der Huffington Post unter dem Titel: „Green vs. Competitive: The Stalemate continues“