Führen heißt ermöglichen

evolve04-laloux-2Über die Arbeit in lebendigen Systemen

Ein Interview mit Frederic Laloux

Frederic Laloux arbeitete jahrelang bei der Unternehmensberatung McKinsey, bis ihn die „seelenlose“ Unternehmenskultur an seiner Arbeit zweifeln ließ. Er begab sich auf die Suche nach anderen Formen der Organisationsführung und wurde fündig: Er entdeckte Organisationen aus verschiedenen Bereichen, die neue Managementstrukturen und -praktiken anwenden, und stellte dabei fest, dass sie alle ähnlichen Prinzipien folgen. Diese Entdeckungen beschreibt er in seinem Buch „Reinventing Organizations“, das sich im Selbstverlag und ohne Marketing in wenigen Wochen zehntausendmal verkaufte. Wir sprachen mit Frederic Laloux über eine neue Führungskultur.

evolve: Du näherst dich dem Thema Leadership aus einer systemischen Perspektive. Warum denkst du, ist das heute wichtig?

Frederic Laloux: Viel von dem, was über Leadership geschrieben wird, geht immer noch davon aus, dass Organisationen unverändert bleiben, sich aber die Führungskräfte ändern sollten, bewusster werden und mit größerer Vision arbeiten sollten. Wenn Führungskräfte ein weiteres Bewusstsein entwickeln, geschehen aber oft zwei Dinge: Entweder sie verlassen ihre Organisationen, weil sie sich die Machtspiele mit ihren Kollegen nicht mehr antun wollen. Oder sie bleiben in den Organisationen und verzweifeln, weil sie nicht sehen, wie sie ihr Bewusstsein in die Organisation einbringen können.
Es ist es natürlich wichtig, dass Führungskräfte ein anderes Bewusstsein entwickeln, aber sie sollten wissen, dass sie auch auf systemischer Ebene arbeiten können. Denn es gibt Strukturen und Praktiken, um dieses Bewusstsein in der Organisation zu verankern. Das Interessante an den Organisationen, die ich untersucht habe, ist, dass die Strukturen es ihnen leicht machen. Sie müssen nicht mehr gegen die Strukturen kämpfen.

evolve: Es geht also nicht nur darum, den Führungsstil zu ändern, sondern die Systeme zu verstehen, die man neu entwickeln muss, um überhaupt auf eine andere Art und Weise führen zu können.

Frederic Laloux: Ja, eines der schönsten Beispiele ist für mich Jos de Blok, der CEO von Buurtzorg in den Niederlanden, einem Unternehmen für mobile Krankenpflege mit 8000 Mitarbeitern. Er führt dieses Unternehmen von einem winzigen Headquarter aus, mit 25 Beschäftigten und ohne Vorstand; er führt das Unternehmen sozusagen von seinem Sofa aus. Er ist den gleichen Regeln unterworfen wie alle anderen dort und eine der Regeln besagt, dass er allein keine Entscheidungen fällen kann, er muss sich mit seinen Mitarbeitern beraten. Dazu hat er einen Abstimmungsprozess geschaffen, der für diese Unternehmen typisch ist: Er setzt sich z. B. um zehn Uhr abends auf sein Sofa und schreibt dort einen Blog, den er im internen sozialen Netzwerk von Buurtzorg postet. Er kommuniziert beispielsweise die Idee für eine andere Berechnung der Überstunden. Innerhalb von 24 Stunden lesen das 6000 der 8000 Mitarbeiter, was zwischen 50 und 300 Kommentare hervorruft. Entweder die meisten stimmen dem Vorschlag zu, dann ist 24 Stunden später die Entscheidung getroffen – ohne Powerpoints und Vorstandsbesprechungen. Oder die meisten Mitarbeiter äußern Bedenken, dann reagiert er darauf und räumt ein, dass er die Komplexität des Themas unterschätzt hat und unterbreitet einen anderen Vorschlag oder beauftragt jemanden, das Thema genauer anzuschauen.

Er nutzt also die kollektive Intelligenz und dabei ist seine Haltung erstaunlich frei von Ego, er hat keine Angst, öffentlich zurückgewiesen zu werden. Die Struktur, in der er arbeitet, ist aber fundamental anders. Stell dir vor, so ein Jos de Blok wacht eines Tages auf und hat diese neuen Ideen, aber das ganze System hindert ihn daran, weil die Leute mit ihren Egointeressen dagegen sind. Deshalb geht es eben nicht nur um die persönliche Qualität, die jemand wie Jos de Blok hat, sondern darum, dass sich auch das ganze System verändert.

Das komplette Interview mit Frederic Laloux finden Sie in der evolve Ausgabe 04/2014
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