Leserstimmen evolve 15

Immer wieder, gelegentlich, mehr oder minder intensiv. Das ist die Kurzbeschreibung meiner Begegnung mit evolve. Die letzte Ausgabe hat dann etwas bei mir gemacht. Als langjähriger Kurator in einem der größten Ausstellungshäuser Deutschlands plane und projektiere ich eine Ausstellung in unserem Dauerausstellungsbereich zum Thema »Zukunft der Arbeit«. All die Themenpartikel, die heute durch die Diskussion in der Fachwelt und der breiten Öffentlichkeit wabern und unsere Vorstellungen von der Zukunft mehr oder minder schrill tapezieren, habe ich in den letzten vier Jahren verfolgt und versucht, in ein Konzept zu gießen. Letztendlich blieb und bleibt immer noch ein fader Geschmack auf der Zungenspitze. In den vielen Diskussions-Hotspots sind Techniken und Technologien im Fokus und unmerklich ist das Menschliche vom Screen verschwunden. Wo bleibt der Mensch in einer durch und durch digitalisierten Welt? Was ist das Menschliche an der Arbeit? Wird sich der Mensch aus der Arbeitswelt zum großen Teil zurückziehen? Machen wir nur noch Restarbeiten und warten geduldig auf die vollkommene Entmündigung? Nein, es wird schon werden und wenn Veränderungen, dann nur zum Guten. Politische Statements aus allen Ecken.
Umso erfrischender die letzte evolve-Ausgabe. Es war/ist ein Genuss, den Menschen wieder als Kristallisationspunkt zu sehen. Innovationen ohne den Menschen als Akteur und Betroffenen zu sehen, sind ein Fehlgriff im Diskurs. Gewollt oder ungewollt.
Ich habe mich deshalb entschlossen, evolve beim Überlebenskampf zu helfen. Ich selber werde nun die Zeitschrift abonnieren und dem Förderkreis beitreten. Es tut Not, unser Bewusstsein wachzuhalten, und es tut gut, zu wissen, dass eine immer größer werdende Anzahl von Menschen dies auch so sieht.
 
Peter Busse, E-Mail


Im Heft Nr. 15 vermisse ich zumindest Hinweise auf die Umstände, unter denen die Rohstoffe für Computer u. Ä. von Menschen aus der Erde geholt werden (Arbeitsbedingungen und Ökologie); die Arbeitsbedingungen in den Reinräumen der chemischen Industrie, in denen die Halbleiterbausteine hergestellt werden (Umgang mit hochtoxischen Stoffen); die Arbeitsbedingungen, unter denen die Rechner (meist in China) gefertigt werden; die Art und Weise des Recyclings (durchaus in Afrika, Indien); den Elektrosmog beim Betrieb der kabellosen Geräte.
Und vielleicht noch viel naheliegender: Wie geht es Ihnen, wenn Sie stunden- oder tagelang überwiegend Zeit mit solchen Datenverarbeitungsmaschinen verbringen? Meine Hände werden da kalt, auch wenn der Raum gut geheizt ist. Meine Wahrnehmungsfähigkeit und der sinnliche Bezug zur Welt schrumpfen. Die Themen könnten sicherlich ein ganzes Heft füllen.
Dass evolve sie mit seinem Anspruch, integral die Dinge zu betrachten, ausblendet, finde ich falsch. So erscheint der Schwerpunkt »Mensch & Maschine« eher als Werbebroschüre der IT-Industrie.

Ulrich Peschel , Bad Belzig


Mein großes Kompliment nicht nur für die letzte, sondern für alle Ausgaben von evolve! Es liegt schon weit mehr als 20 Jahre zurück, dass ich Jean Gebser entdeckte. Gerhard Wehr, der Kenner der mystischen Wege, öffnete mir dann auch noch die Türen zu Ken Wilber und zur Anthroposophie. Dass es mit evolve nun ein so gutes und anspruchsvolles Forum zu genau diesen Zukunfts- und Ankunftsthemen gibt, ist ein Lichtblick in einer schwierigen, auf eine Wende wartenden Zeit. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team viel Glück und natürlich auch den verdienten Erfolg mit Ihrer evolve!
Beim Lesen des letzten Heftes habe ich mir immer wieder Notizen gemacht, die ich in zwei Teilen aufgeschrieben habe:

1) Ach, ihr träumenden Transhumanisten! Versucht es doch erst einmal mit dem Humanismus, bevor ihr auch dieses »Trans« noch zu stemmen versucht! Dasein ist immer schon heilig (siehe Dreyfus im letzten Heft)! Es muss nicht erst transzendiert werden. Der große Unterschied zwischen Machen und Erwachen ist der entscheidende Punkt, um den es hier geht. Beim Suchen und Machen sind im großen, endlosen Raum endlos viele Objekte und Aufgaben zu finden. Dagegen ist es sehr schwer, aus unserer Mitte heraus das »innere Auge« zu öffnen. Schwer, weil es im Außen nicht zu »machen«, nicht zu bewerkstelligen ist. Es muss sich von innen her öffnen. Den Zauberlehrling hat sein großer Erfolg im Machen in Not gebracht!

2) Sachwelt und Seelenwelt. Alle Fragen der technischen Beherrschung der Welt betreffen den Sachhorizont der weltlichen Weitsicht und vergessen den Seelenhorizont der menschlichen Einsicht. Ersterer zeichnet sich gerade durch seine reine Objektivität aus. Je umfassender diese Sachlichkeit gelingt, umso gründlicher verschwindet der »innere Horizont«: die Dimension(!) der seelischen Lebendigkeit. Alle Versuche und alle Erfolge einer Verknüpfung dieses höchst sensiblen inneren Lebens mit den technischen Raffinessen der Informationstechnologie vertiefen die Verdinglichung der Seelen und schmälern alle Hoffnungen auf eine Wiederbeseelung der Welt. Die große dahinterliegende Frage ist keine technische, sondern eine geistige, kulturelle und spirituelle. Das Gespür für diese kulturelle Dimension schläft mit jedem technischen Erfolg tiefer ein. Es geht aber um ein Erwachen!

Karlheinz Gernbacher, Schwabach



In der evolve 15 »Mensch und Maschine« wird mehrmals die Aussage gemacht, dass Yuval Harari in seinen Büchern, vor allem in seinem letzten Buch »Homo Deus«, alle Lebewesen und somit auch den Menschen als »eine Art Algorithmus« bezeichnet. So wird dargestellt, dass diese Bezeichnung »für ihn« [d. h. für Yuval Harari an sich als Autor und Mensch] »die logische Schlussfolgerung aus den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaft« sei (siehe Thomas Steininger in »Die Algorithmen und wir«), bzw. berichtet, dass Harari aussagt, dass »eigentlich jeder Organismus ein Algorithmus ist« (siehe Interview mit Roland Benedikter in »Die Neuentdeckung des Menschen«).

Ich gebe zu, die Art und Weise wie Yuval Harari seine Bücher geschrieben hat, lässt dem Leser viel Raum für Interpretationen und, meinem Empfinden nach, ist das auch von Anfang an die Absicht des Autors gewesen. Nach dem sehr aufmerksamen Lesen kann ich nicht behaupten, mit Sicherheit erkannt zu haben, welche tatsächliche persönliche Aussage Yuval Harari macht und ob er überhaupt eine eindeutige Stellung bezieht. Vielleicht ist das so, weil Harari – als Kind des marktwirtschaftlichen Kapitalismus auch von seinem Umfeld vorprogrammiert – einfach Bücher schreiben möchte, die sich überall sehr gut verkaufen? Oder als Welt-Historiker und Wissenschaftler einfach mal zwei Bestseller veröffentlichen wollte, die keine Aussagen beinhalten, die vom wissenschaftlichen »Establishment« attackiert werden können? Oder vielleicht ist er einfach nur ein genialer Autor, der tiefgründige Aussagen so zu gestalten vermag, dass sie zu einem Bestseller werden und dadurch doch die ganze Welt erreichen und zum Nachdenken verleiten?

Ich weiß nicht, was Harari wirklich denkt und wofür er wirklich steht. Auch nicht, ob er sich selbst privat als Materialist, Buddhist, Atheist oder sogar als spiritueller Mensch bezeichnet. Alles was ich über Harari kenne, sind seine zwei Bücher und, dass auf der letzten Seite von »Homo Deus« diese Worte stehen:

“Yet if we take the really grand view of life, all other problems and developments are overshadowed by three interlinked processes:
1. Science is converging on an all-encompassing dogma, which says that organisms are algorithms and life is data processing.
2. Intelligence is decoupling from consciousness.
3. Non-conscious but highly intelligent algorithms may soon know us better than we know ourselves.
These three processes raise three key questions, which I hope will stick in your mind long after you have finished this book:
1. Are organisms really just algorithms, and is life really just data processing?
2. What is more valuable – intelligence or consciousness?
3. What will happen to society, politics and daily life when non-conscious but highly intelligent algorithms know us better than we know ourselves?”

Ich persönlich lese hier, dass Harari seine Leser geradezu aufdringlich davor warnt, dem aktuellen wissenschaftlichen Trend – lebende Wesen als Algorithmen zu betrachten – blind zu vertrauen und sie anschließend sehr klar zum Nachdenken auffordert. Jede/r sollte versuchen, sich selbst diese drei (für die Menschheit als Spezies) wichtigen Fragen zu beantworten.
 
Cristian Dodita, E-Mail