Leserstimmen evolve 20

Zur evolve 20 »DIE BEWUSSTSEINSMASCHINE – Die neuen Medien und wir«

In dem Artikel »Im Herz des Ungewissen« von Nadja Rosmann in der evolve 20 findet sich der Satz: »Als das Internet zum Medium der Massen wurde, verwandelte sich die digitale Nische in einen Marktplatz.«
Stimmt das wirklich? – So wie Sie schreiben, hat das menschliche Wesen sein selbstverständliches Verbundensein mit Mensch und Erde gegen Individualität und persönliche Freiheit getauscht. Eine Spaltung hatte stattgefunden – mit allen Entwicklungs- und Erfahrungsmöglichkeiten, die Individualität und Freiheit in einer polaren Welt mit sich bringen.
Mit dem Internet wurde diese Spaltung nicht überwunden, sondern aus einem Protest gegen das Bestehende, aus der Sehnsucht nach erweitertem Bewusstsein wurde die Hoffnung verbreitet, durch eine Technologie den besseren Menschen zu entwickeln.
Nadja Rosmann beschreibt berührend ihre Erfahrungen des tiefen Verbundenseins im Netz. Dennoch waren es Erfahrungen innerhalb des Systems, das neben den großen Möglichkeiten des Vernetztseins auch die Schattenseiten wie Machtmissbrauch, Gier, Manipulation, Ausbeutung in sich trägt.
Nach meinem Gefühl kann die Spaltung überwunden werden, wenn wir beginnen, verbunden mit Gleichgesinnten, die Schattenkräfte zu fühlen – als Ausdruck unserer Verbundenheit mit allem als Teil des Großen Ganzen – um die polaren Kräfte in ein höheres Bewusstsein zu integrieren – ein Bewusstsein, das zusammenführt und integriert, das von der Grundkraft der Liebe getragen wird – im Sinne einer tiefen Transformation.
Statt die Lösung in einer zunehmenden »Veräußerung« zu suchen, geschieht eine Wandlung in mir, nicht allein, sondern vernetzt und unterstützt im WIR-Raum mit Menschen, die auf ähnliche Weise unterwegs sind. Dadurch entsteht eine Kraft des Miteinander, die uns und das Leben auf der Erde verändern wird.

Monika Sellmayr, München


Ihr Themenheft zur Bewusstseinsmaschine erscheint mir von einer ziemlichen Naivität geprägt, weil nur am Rande im Beitrag von Fred Turner deutlich wird, womit wir es heute im WWW zu tun haben: mit einem von Überwachungskapitalismus und Ausbeutung menschlich-kultureller Ressourcen geprägten Herrschaftsraum der Digitalisierungskonzerne.
Was in China geschieht, das geschieht bei uns auch, nur sitzen die Machthaber hier nicht in Peking, sondern im Silicon Valley. Nicht umsonst empfiehlt der Internetpionier Jason Lanier, sich von allen sozialen Netzwerken sofort abzumelden. Tim Berners-Lee (Anm.: der Erfinder des Internets) versucht verzweifelt, die Ursprungsidee des Internet durch sein Unternehmen Solid zu retten. Ob ihm das gelingen wird, ist fraglich.
Fred Turner weist auf öffentliche, herrschaftsfreie Räume wie die öffentlichen Schulen hin, aber diese sind bereits dabei, ebenfalls durch die IT-Konzerne digitalisiert und damit deren Kontrolle unterworfen zu werden. Der »Dig‎italpakt« der Bundesregierung zur digitalen Bildung, im von SAP finanzierten Hasso-Plattner-Institut unlängst erneut besiegelt, spricht hier eine sehr deutliche Sprache. Und für Bibliotheken gilt leider dasselbe, seitdem Google Books sich quasi den Gesamtbestand an Büchern der Menschheit angeeignet hat.
‎Früher hieß es: »Feind hört mit«, heute wird nicht nur mitgehört, sondern auch mitgelesen, mitgefilmt und mitgedatet, um das Geistesgut der Menschen zu vermarkten und zugleich im Sinne der Kapitalinteressen zu steuern.
Alles, was Menschen heute via digitale Medien verbindet, unterliegt der Kontrolle, Überwachung und Vermarktung durch die IT-Konzerne, bis dahin, dass das sogenannte schnelle Internet in Deutschland ausgerechnet von dem chinesischen Überwachungsspezialisten Huawei ausgerüstet und damit auch noch in die Hände der chinesischen‎ Machthaber übergeben werden soll.
Menschen können mit Menschen freiheitlich nur in herrschaftsfreien Räumen kommunizieren. Das WWW jedoch ist eine gigantische, intelligente Maschine, deren Ziel es ist, die Menschheit zu beherrschen, um damit Mensch und Maschine endgültig zu verschmelzen.
Diesem von Ray Kurzweil, dem Chefideologen von Google unverhohlen formulierten Ziel können wir nur begegnen, wenn wir Menschen bleiben: »von Mensch zu Mensch«!

Andreas Neider, Stuttgart


Mit den neuen Medien hat die evolve – wie immer – eine sehr wichtige Frage aufgegriffen. Dieses Thema erscheint mir wie eine Mischung aus Zukunftstraum und Menetekel. Aus meiner Perspektive ist das Risiko dieser Entwicklung sehr viel größer als die Chance, die in ihr stecken mag. Nach der Lektüre von evolve 20 hatte ich insgesamt jedoch den Eindruck, dass hier die Hoffnung auf die neuen Medien überwiegt. Selbst aus dem Leitartikel von Herrn Steininger –sonst immer »Balsam für meine Seele« – las ich mehr Zuversicht als Vorsicht heraus. Mir scheint vor allem letzteres geboten.
Mein großes Interesse am integralen Bewusstsein gründet nicht zuletzt in der Erwartung, dass die Pflege der »inneren«, der integral-integrierenden Dimension einen Ausweg aus der manisch-modernen Außenraum-Fixierung und -Beherrschung eröffnen könnte. Ich kann es beim besten Willen nicht glauben, dass die modernen Medien und die explosionsartig wachsende Informationstechnologie zu einer Integration von Innen- und Außenwelt beitragen können. Im Gegenteil: Die ungebremste Vervielfachung unserer äußeren Raffinessen führt zu einer weiteren Austrocknung der inneren, der seelischen Qualitäten.
Für mich steckt vor allem in Jean Gebsers Konzept des integralen Bewusstseins die Hoffnung auf ein Erwachen aus diesem modernen, höchst intelligenten, aber dennoch sehr tiefen Traum. Nach Gebsers Stufenordnung verlief die bisherige Bewusstseins-Evolution in vier Stufen: (1) der archaischen, (2) der magischen, (3) der mythischen und (4) der modern-mentalen Stufe. Die fünfte, die integrale »Stufe«, ist im eigentlichen Sinn keine Stufe mehr. Sie meint vielmehr diese aus den Stufen 1 bis 4 sich erschließende völlig neue Qualität des Eins- und Ganzwerdens aus vier Teilstücken.
Im Gegensatz zum Konzept der Spiral Dynamics setzt Gebser die Reihenfolge der Bewusstseins-Stufen nicht ins Unendliche fort. Sein Begriff des »integralen Bewusstseins« meint keine endlose Verlängerung der menschlichen Bewusstseins-Entwicklung. »Integral« meint bei ihm vielmehr ein qualitativ oder besser: ein dimensional höheres Vermögen. Die Stufe 5 ist keine Stufe wie bei 1 bis 4! Sie meint vielmehr eine neue Qualität, die einen völlig neuen Horizont eröffnet. (Das macht auch verständlich, warum es schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte erstaunlich hoch entwickelte Kulturzeugnisse gab. Das integrale Bewusstsein ist keine Erfindung der modernen Ingenieurskunst, die sehr hohen praktischen Wert hat. Kulturelle, spirituelle Fragen gehören jedoch nicht zu ihren Stärken.)
»Integrales Bewusstsein« meint in diesem Sinn, sich seiner unendlich tiefen Herkunft bewusst zu werden: vom ursprünglich archaischen bis zum rational-mentalen Bewusstsein. Es geht darum, nicht allein intellektuell-mental, sondern existenziell-integral (physikalisch, biologisch, »magisch«, seelisch, psychologisch, rational) bewusst und wach zu werden!
Dieses Sich-seiner-Herkunft-und-Ganzheit-Bewusstwerden, diese Transparenz auf das Ganze, zum Grunde hin, nach Jean Gebser: Diese »Diaphanie«, diese Durchsichtigkeit des wundersam übergroßen Komplexes entfernt sich nicht vom Ursprung, sondern sie erschließt ihn! Erschließt ihn als Schlüssel für die Ganzheit der sehr tiefen und sehr komplexen Bewusstseins- und Seins-Struktur insgesamt. Das integrale Bewusstsein ist – nach Gebser – kein intellektuelles, sondern ein existenzielles Phänomen. Das Intellektuelle ist eine Teilmenge des Existenziellen, nicht umgekehrt!
Bezogen auf die modernen Medien und Informationstechnologien bedeutet dies, dass die Fortsetzung der technischen Außenwelterschließung nicht nach innen, in diese »Diaphanie des Ganzen«, sondern nach außen in die Unendlichkeit des Weltenraums führt. Dieser Raum aber ist nicht allein ein physikalisch zu vermessendes Objekt. Für das ganzheitlich integrale Bewusstsein bleibt dieser scheinbar »nur physikalische Raum« ein Wunder im uralten Sinn. Schon ein tiefer Blick in den Nachthimmel reicht aus, um vor ihm zu knien! Seine Erschließung – selbst mit High-Tech-Werkzeugen – ist und bleibt dagegen hochprofessionelle Handwerksarbeit.

Karlheinz Gernbacher, Schwabach


Ich höre seit 2 – 3 Jahren regelmäßig Radio evolve als Podcast und hatte schon ein Probe-Abo. Eure Sendung und euer Magazin haben in den tiefen, achtsamen Gesprächen und durch die integrale Sichtweise einen wohltuenden Weitblick auf die Welt. Macht weiter so!

Karin Fersch, 
Burghausen